Weniger Reichweite für Unternehmen
Björn Weirup
Die Zeiten von unbezahlter Reichweite für Unternehmen sind vorbei. Was es damit auf sich hat und was Advertiser jetzt tun müssen, erklärt Björn Weirup, Digital Media Experte bei elbdudler.
Weniger Platz für Unternehmenscontent
Im Januar kündigte Mark Zuckerberg weitreichende Änderungen am Algorithmus des Newsfeeds an und machte deutlich: „[…] you’ll see less public content like posts from businesses, brands, and media”. Per Pressemitteilung erklärt Facebook, es werde weniger Platz für Unternehmenscontent im Feed geben, um Platz für „bedeutungsvolle Posts von Freunden und Familie” zu machen und der Anspruch an Inhalte von Unternehmen für die User „bedeutungsvoll” zu sein, würde steigen.
Von der New York Times bis zum Forbes Magazine geht es durch die Branche: „Publishers and brands are the losers” (New York Times). Die Frage stellt sich wie jetzt mit diesem vermeintlichen „Newsfeed-Armageddon” (onlinemarketing.de) umzugehen ist und Tipps dazu gibt es reichlich: Während Forbes vor allem auf die Macht der Influencer setzt, rät Adweek Unternehmen dazu sich in Facebook-Gruppen einzubringen („[are] groups the next Facebook?”) und Hootsuite empfiehlt ihren Leser*innen, User dazu zu bringen, manuell auf „See First” zu klicken oder Fans der Seite zu werden, als wäre es 2013. Viele dieser Tipps haben eines gemein: Sie verschließen die Augen davor, dass es nun mal nicht mehr 2013 ist und dass wir nie wieder dahin zurückkehren werden von organischer Reichweite zu leben – das lässt sich auch mit solchen Tricks nicht erzwingen.
Das klingt zum einen düster, ist aber in Wirklichkeit eine beruhigende Erkenntnis. Denn wer jetzt bereits darauf eingestellt ist für Reichweite zu bezahlen und damit guten Content zu bewerben, wird von künftigen Algorithmusänderungen nicht mehr beeinflusst werden, als von den bisherigen. Also kein Grund zur Panik.
Was passiert derzeit?
Zunächst einmal ist es wichtig sich bewusst zu machen, dass dieser Prozess ein schleichender ist und dass er bereits begonnen hat – vor Jahren. Daher ist nicht damit zu rechnen, dass es von einem Tag auf den anderen einen Einbruch auf Unternehmensseiten geben wird. Vielmehr wird der Trend anhalten, den wir seit 2014 beobachten und den Facebook bereits im Juni 2016 mit fast den gleichen Worten wie heute ankündigte: „Today [29.06.16], we’re announcing an update to News Feed that helps you see more posts from your friends and family.” Es ist also klar, dass es sich um einen stetigen Prozess handelt und nicht um das Umlegen eines Schalters, wie der Verlauf unseres durchschnittlichen CPM der letzten Jahre deutlich zeigt.
Dieser vermeintlich gegen Unternehmen gerichtete Trend ist nachvollziehbar: Immer mehr Unternehmen setzen in ihrem Marketingmix auf Social. Gleichzeitig würden Facebook die User abspringen, wenn diese sich von zu viel Unternehmenskommunikation belästigt fühlten. Um nicht auf Werbeeinnahmen zu verzichten, hat Facebook in den letzten Jahren neben dem Newsfeed immer weitere Auslieferungsmöglichkeiten bereitgestellt, so dass immer mehr Werbung auf Facebook geschaltet werden konnte, aber der Ansturm auf den Feed in Bahnen gehalten wurde. Wo Werbetreibende 2013 nur die Wahl zwischen dem Newsfeed und der Rechten Spalte hatten, kamen nach und nach Instagram, das Audience Network, Instant Articles und zuletzt der Messenger hinzu.
Die meisten dieser Auslieferungsmöglichkeiten ergeben für viele Kampagnen Sinn und sind definitiv eine Bereicherung. Sie führen aber gleichzeitig vor Augen wie begrenzt der Platz im Feed ist und wie Facebook seine Kund*innen dahin steuert diesen nicht zu überladen. Diese Entwicklung hat direkte Auswirkungen auf den CPM und die richtige Auswahl von Formaten wie die derzeitige Bevorzugung von Bewegtbild.
Was können Unternehmen tun, um weiterhin gesehen zu werden?
Die Versuchung weiterhin unbezahlte Aufmerksamkeit zu erhaschen, ist groß: Ob durch das von Facebook abgestrafte Engagement Baiting oder indem User dazu aufgerufen werden den Unternehmenscontent händisch an den Anfang des News Feeds zu stellen.
Dennoch wird die organische Reichweite weiter zurückgehen und ihre Bedeutung nahezu verschwinden. Wie in den letzten Jahren, so auch in den nächsten Jahren. Sich diesem Trend verbissen entgegenzustellen und zu versuchen irgendwie doch noch an möglichst viel organische Reichweite zu kommen, ist zum Scheitern verurteilt.
Was also kann jetzt getan werden?
Björn Weirup (Digital Media Experte) und Andreas Jäger (Stratege) haben sich dazu ein paar Gedanken gemacht:
- Taschenspielertricks gegen eine echte Strategie eintauschen. Will man einen wirklich verlässlichen Impact, ist eine gewisse Durchdringung und Frequentierung der Zielgruppe nötig. Das kostet Geld und klingt plötzlich gar nicht mehr so hip, sondern eher nach klassischem Marketing. Hat aber seine Berechtigung: Denn mit Facebook haben wir ein Millionenpublikum, das wir über mobile Endgeräte in seinem Alltag abholen können. Das ist kein Spielzeug, sondern ein mächtiges Marketing Tool. Wer hier zu lange seiner organischen Reichweite hinterher trauert, wird von Unternehmen überholt, die das Potenzial erkannt haben.
- In Botschaften, statt in Redaktionsplänen denken: Advertiser bringen eher selten ein Magazin heraus, das befüllt werden will. Stattdessen müssen Produkt- und Markenbotschaften so aufbereitet werden, dass sie bei der Zielgruppe social funktionieren und Anklang finden.
- Mehr Fokus auf die Integration von Content und Ausspielung: Mit welchen Inhalten werde ich meiner Marke sowie der Zielgruppe gerecht und wie bereite ich sie auf, sodass sie auf dem Kanal funktionieren? Mit diesen Fragen sollte man sich beschäftigen, statt über organische Reichweite nachzudenken. Facebook dazu: Wenn die Inhalte gut gemacht und gut platziert sind, werden die User entsprechend reagieren und „posts that lead to more meaningful interactions will see less of an impact.“
- Richtig platzieren: Der Platz im Feed ist umkämpft, aber der Feed ist nicht alles. Welche von Facebook angebotenen Auslieferungsorte neben dem Stream kommen für meine jeweilige Kampagne, für mein jeweiliges Asset in Frage? (Network, Messenger, Instant Articles usw.)
- Auswahl eines angemessenen Mediabudgets. Auf organische Reichweite ist nicht mehr zu zählen, also sollte ein Mediabudget ausgewählt werden, welches die gesteckten Ziele auch erreichen kann. Um einen wirklichen Impact zu erzielen, ist eine ausreichende Zielgruppendurchdringung bei einer vernünftigen Frequenz unabdingbar.
Als Untergrenze empfehlen wir außerdem mindestens das Zweifache dessen in Postpromotion zu investieren, was zuvor in die Produktion der Posts geflossen ist, um ein gesundes Verhältnis zwischen Aufwand und Sichtbarkeit zu garantieren.