Voice Search
Wie Sprach-Interfaces die Markenkommunikation verändern
Lucas Aydin
Digitale Sprachassistenten wie Google Home oder Alexa von Amazon erobern weltweit die Wohn- und Schlafzimmer. Welche Rolle Voice Search für Werbungtreibende und deren Marken hat, erklärt Lucas Aydin, Senior Conceptionist bei elbdudler.
Wer den zurecht Oscar-prämierten Film „Her” gesehen hat, kann mich vielleicht verstehen. Ich denke oft an eine Frau, die es gar nicht gibt – allerdings nicht auf romantischer Ebene, wie im Fall von Joaquin Phoenix’ Charakter, der sich in die körperlose Stimme von Scarlett Johansson verliebt. Nein, ich denke oft über Alexa nach – rein beruflich, versteht sich. Denn was sich hier auftut, ist ein Thema von elementarer Bedeutung für die Zukunft der Markenkommunikation. Ich bin nämlich nicht allein. Eine stetig wachsende Zahl Menschen spricht mit diesen Frauen (und Männern) – ob nun mit Siri, Google Assistant, Cortana, Bixby … es werden immer mehr!
Meine These: Die Bedeutung von Branding steigt mit größerer Nutzung natürlicher Sprache als Interaktionsmedium. In der Bewertung werde ich auf verschiedene Facetten eingehen, die bereits in vollem Gange, im Kommen, und am Horizont zu erkennen sind.
Voice Search
Man kennt es von Whatsapp: Statt langem Tippen wird fix eine Sprachnachricht geschickt. Genau so verhält es sich mit Voice Search. Anstatt müßig Keywords einzugeben, wird eine Frage an Google ausgesprochen und ruckzuck sind relevante Ergebnisse da. Unterschiedliche Quellen sprechen bereits von 20 – 30 % Anteil an sprachbasierten Suchen aller Suchanfragen.
Was heißt das?
Sowohl SEO als auch Paid Search Strategie müssen darauf abgestimmt werden. Denn eine Suche nach „Getränk, Hals, Erkältung” bedarf einer anderen Herangehensweise als „Was soll ich bei Kratzen im Hals trinken?“. Welcher Zusammenhang besteht aber mit Branding? Eine für Marken besorgniserregende Entwicklung: Die Anzahl der „Non-Branded” Suchen steigt rasant im Vergleich zu Suchen nach spezifischen Marken.
Nutzerverhalten ändern zu wollen, ist erfahrungsgemäß zum Scheitern verurteilt. Ich bin daher überzeugt, dass Semantik-optimiertes SEO bzw. Paid Search und Branding die Hebel sind, um unter diesen Rahmenbedingungen zu bestehen. So wird aus einer Markensuche eine nach meiner Marke, und die Suche „Was soll ich bei kratzigem Hals trinken?“ liefert Ergebnisse von Meßmer statt eines Wettbewerbers.
Noch dringender wird die Bedeutung von Branding, wenn es überhaupt keine visuelle Verbindung mehr mit der Marke gibt, wie es bei digitalen Sprachassistenten der Fall ist.
Digitale Assistenten
Digitale Assistenten, allen voran Amazon’s Alexa, können noch mehr als nur schnöde Fragen zu beantworten. Sie sind Hüter der Einkaufsliste, spielen Musik, helfen beim Kochen oder – und jetzt wird’s spannend – bestellen alles von Batterien über Küchenpapier oder Windeln für den Nachwuchs. Aber welche Marke soll’s denn sein?
In diesem neuen Kontext stelle ich mir drei zentrale Fragen für die Zukunft der Markenkommunikation:
- Wie landen meine Produkte unter den vorgeschlagenen Suchergebnissen?
- Wie erlangen und halten Marken ihre Relevanz, wenn Menschen Entscheidungen immer mehr an digitale Assistenten abgeben?
- Wie schaffe ich es, dass Konsumenten explizit nach meinem Marken- bzw. Produktnamen suchen?
Zu Frage 1: Ob und wo ein Produkt in den Suchergebnissen auftaucht, bestimmt Alexas Algorithmus. Faktoren sind vor allem Bewertung, Preis und Status (z. B. Bestseller). Unter die Motorhaube kann aber nur Amazon selbst sehen. Dass Alexa zudem gerne Produkte der Hausmarken wie „Amazon Basics” empfiehlt, ist ihr nicht übel zu nehmen. Was aber bedeutet es, wenn der potenzielle Kunde Marken nicht in ihrer vollen Pracht in Form einer hart erarbeiteter Visual Identity vor sich sieht? Bereits ein Drittel des Onlinemarktes für Batterien gehört beispielsweise in den USA schon Amazon. Bye bye, Duracell Hase?
Besonders im FMCG-Bereich ist die Maschinerie Amazon dabei, jegliche lohnenswerte Produkte einfach selbst auszuspucken. Hier sind Marken gefragt, in der Produktentwicklung echte USPs zu schaffen, Trends zu verstehen und etwas zu wagen. Denn aktuell lautet die Strategie bei Amazon: Was gut performed, wird unter Hausmarke selbst gemacht.
Zu Frage 2: „Alexa wird schon wissen, was ich am liebsten mag und was zu mir passt.” Das ist eine allgemeine Entwicklung, die durch Überangebot vorangetrieben wird. Konsumenten outsourcen ihre Konsumentscheidung immer mehr an Algorithmen – siehe Facebook, Pinterest und Co. Marken können nur gegensteuern, indem sie eine exzellente, emotionale Marken- und Produkterfahrung ermöglichen. Und das an allen Touchpoints – von der Website, über Drittplattformen bis zum POS. Sie müssen so begehrenswert werden, dass Menschen Schlange stehen. Apple lässt grüßen. Unsere Aufgabe muss es daher sein potenzielle Kunden zu animieren, aktiv diese eine Marke aufzusuchen. Dieser Anreiz und die Bindung kann effizient und langfristig nur auf emotionaler Ebene stattfinden. Denn reine mentale Verfügbarkeit ist noch lange keine Begehrlichkeit.
Zu Frage 3: Wir müssen also Konsumenten einen Grund dafür geben, zielgerichtet nach der Marke zu suchen. Branding wird dafür eine noch gewichtigere Stellung einnehmen als heute schon. Vor dem Hintergrund steigender Adblocking- und Skip-Button-Nutzung heißt das: Markenerlebnisse schaffen, mit denen sich Konsumenten aktiv und gerne auseinandersetzen wollen, auf die sie sich einlassen und freuen. Der Schlüssel dazu ist die strategisch kluge Verbindung von emotionaler Bindung und mentaler Verfügbarkeit von Marken- und Produktnamen.
Die Verbreitung digitaler Assistenten in Wohn- und Schlafzimmer erfordert also ebenfalls einen größeren Fokus auf Differenzierung durch Branding.
Markenstimme
Abschließend möchte ich einen schnellen Blick in die Glaskugel werfen. Ich bin mir sicher, dass die technologische Zukunft in sog. „Natural Language Interfaces” liegt. Keine Websites, keine Buttons, irgendwann auch keine Touchscreens mehr. Wir werden auch mit Marken sprechen, wie wir es mit unserem Kollegen, unserer Familie – und inzwischen schon Alexa – tun. Eine beliebte Workshop-Übung ist es, den Markencharakter mit Hilfe bekannter Persönlichkeiten zu definieren. Doch wie hört sich meine Marke an? Hier eröffnet sich ein völlig neuer Aspekt von Branding, über dessen konkrete Auswirkung heute nur spekuliert werden kann. Klingt meine Marke alt? Jung? Männlich? Weiblich? Nasal oder guttural? Eher wie Scarlett Johansson oder Joaquin Phoenix?
Fazit
„Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen, war vor 20 Jahren. Der zweitbeste ist heute.” Markenverantwortliche sollten sich spätestens heute Gedanken über die Bedeutung von Sprache für ihre Kommunikationsstrategie machen. Ich freue mich auf anregende Gespräche zu diesem Thema. Am liebsten aber immer noch von Mensch zu Mensch.