Out of Home

Ein flüchtiger Blick macht noch keinen Kontakt

In einem recht persönlichen Kommentar setzt sich Andreas Jäger, Head of Creative Planning bei elbdudler, mit der Zukunft des Touchpoints Außenwerbung auseinander. Was als Generalabrechnung startet, entwickelt sich zu einer hoffnungsvollen Zukunftsschau. Streitbar und lesenswert:

Denke ich an Außenwerbung, fallen mir immer zwei Erinnerungen ein, die prägend für mein Verständnis von dem Touchpoint waren. Die erste führt mich fast 30 Jahre in meine Kindheit zurück: Als Grundschüler bestand meine größte Freude darin, Werbeplakate mit Filzstiften zu „verschönern“ und der einen oder anderen Werbefigur eine tolle Bartkreation zu verleihen. Auch liebte ich es, ganze Plakate niederzureißen, wenn die Plakate durch das ständige Übertapezieren zu schwer für die Fläche geworden waren. Ich hatte nichts gegen Werbung. Ich war ein Bilderstürmer, weil es Spaß machte und keinen störte. Die Werbeflächen waren – so schien es mir – den Erwachsenen egal. Nie bekam ich Ärger. Passanten mussten sogar beim Vorbeigehen schmunzeln, wenn ich meine künstlerische Ader an den Plakaten auslebte. Es wirkte fast so, als würde die Werbung durch mein Gekritzel zum ersten Mal überhaupt bewusst wahrgenommen. Die nächste Erinnerung betrifft die Kampagne des Fachverbands für Außenwerbung: „Außenwerbung trifft. Jeden.“ Halbnackte Menschen von Farbbeuteln getroffen auf weißem Grund. Ein einziges Ad-Busting-Graffiti schaffte es, die komplette Kampagne auf den Kopf zu stellen. In wütenden Buchstaben stand unter der Headline: „Soweit ist das Problem erkannt. Doch was können wir dagegen tun.“ Als junger Digitaler feierte ich damals diesen Angriff, weil er mich in meiner Aversion bestätigte. Unzureichende Targeting-Möglichkeiten und die damit einhergehenden Streuverluste sorgten dafür, dass Out of Home (OOH) in meinem Mindset nicht als relevanter Touchpoint auftauchte.

Beide Erinnerungen machen die Herausforderungen von Außenwerbung deutlich, mit der die ganze Branche zu kämpfen hat: eine über Jahrzehnte eingeschlichene Werbeblindheit, die sich durch generische Ansprache, mutloser Kreation und Überangebot immer weiter verstärkt. Fehlende Relevanz für den Rezipienten ist Gift für jeden Touchpoint. Hierzu braucht es keine Kritiker wie Gary Vaynerchuk, um diese Behauptung zu belegen. Denn auch wenn OOH-Branchenriesen ihre Studien auspacken und mit tollen Zahlen glänzen, sollte klar sein: Ein flüchtiger Blick macht noch keinen wertvollen Kontakt – eine bewusste Auseinandersetzung schon.

Dass OOH auch anders geht, beweisen aktuelle Kampagnen wie Fernet Branca, Orangina und relativ neu: die Zimtschnecken von Pågen. Die Motive machen Spaß und wenden sich bestimmten Zielgruppe zu, statt für alle da zu sein. Sie verkörpern Zeitgeist und spielen mit Aktualität. Im Fall von Fernet Branca ist besonders das Spiel mit einem lokalbasierten Kontext durch spezielle ortsbezogene Platzierungen spannend. Leider bringt die fehlende Flexibilität von geklebten OOH-Kampagnen aufgrund oft langer Mindestbelegzeiten und des hohen Produktionsaufwands mit sich, dass solche kontextbezogenen, zeitgeistorientierten Kampagnen nicht die Regel sind. Könnten sie aber. Wie? Die Lösung liegt in der digitalen Außenwerbung.

Dank neuer Anbieter und neuen technischen Innovationen lassen sich digitale Werbeflächen immer dynamischer und kontrollierter mit digitalen Inhalten bespielen. Das heißt auch, dass wir einfacher für echte Relevanz sorgen können.

Ob lokale Milieu-Ansprache je nach Szeneviertel oder direkte Bezüge zum aktuellen Zeitgeschehen: Wir können bald fast so treffsicher und aktuell DOOH mit relevanten Inhalten bedienen wie unsere anderen digitalen Kanäle. Und das preislich wesentlich flexibler. Nicht nur, dass das Mediabuying so fair wie nie zuvor erfolgen dürfte, mitunter funktionieren hier auch bereits erstellte Creatives, die lediglich minimal angepasst werden. Das freut nicht nur den Motion Designer sondern auch den Kunden bzw. das Kampagnenbudget.

Angenommen wir spielen in einer nahen Zukunft eine deutschlandweite Digitalkampagne, die regional segmentiert funktioniert – heißt Städte und Regionen werden mit gesonderten Creatives abgeholt. Dank der neuen Möglichkeiten in der digitalen Außenwerbung können wir mit Relevanztreibern wie einer regionalen Ansprache wesentlich einfacher arbeiten. Da wir DOOH immer schneller und spontaner bespielen können, wird es auch einfacher, mit aktuellen Ereignissen, die das kollektive Bewusstsein bestimmen, zu arbeiten. Tagesaktueller Social Content gehört zu unseren mächtigsten Tools, um bewusste und nachhaltige Kontakte zu generieren. Je besser der Match zwischen News und Marke ist, desto stärker der Impact. Das sehen wir nicht nur an der enorm gesteigerten Mediaeffizienz, sondern auch qualitativ an den positiven Kommentaren. Warum dieses Erfolgsrezept nicht auch in der digitalen Außenwerbung anwenden?

Endlich sind wir in der Lage, Realtime Marketing auch auf die Straße zu bringen.

Und damit meine ich nicht die Smartphones, über die elbdudler bereits täglich ein Millionenpublikum mit tagesaktuellen Inhalten begeistern. Nein: Ich meine mit „Straße“ eine Öffentlichkeit, wie sie nur Außenwerbung bedienen kann. Ist das Surfen auf dem Smartphone ein mobiler Rückzugsort ins Private, findet Außenwerbung im echten Draußen statt.

Wollen wir das beste Ergebnis für eine Marke erzielen, müssen wir unsere Zielgruppen im Privaten wie auch in der Öffentlichkeit begegnen und bewusst auf unsere Botschaften aufmerksam machen.

Präsenz und Relevanz sind hier die entscheidenden Schlüssel. Liefert Werbung keinen Mehrwert, wird ihre Präsenz schnell zum Gift. Eine digitale Aussteuerung liefert hierzu ein wichtiges Instrument, passende Inhalte so auszuspielen, dass sie ihre Relevanz richtig entfalten können.

DOOH hat noch einen weiten Weg zu gehen – viele technischen Möglichkeiten scheitern an externen Restriktionen und antiquierten Strukturen. Aber DOOH ist auf dem richtigen Weg. War meine Beziehung zu Außenwerbung in der Vergangenheit negativ geprägt, hoffe ich auf tolle integrierte Kampagnen in einer nahen Zukunft, in der digitale Außenwerbung eine wichtige Rolle spielen wird.

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